Eine glaubwürdige Verkündigung des mitgehenden Gottes zu Gunsten der kranken und leidenden Menschen muss greifbar und erfahrbar werden durch die Art und Weise, wie Christinnen und Christen Kranke und Leidende begleiten, denn in ihnen begegnet uns der menschgewordene Gott.
Der Einzelne, der durch Gott zu einem geglückten Leben berufen ist, stellt das Ziel der Pastoral dar. Diese Berufung hat einen individuellen und sozialen Pol, die sich wechselseitig durchdringen. Es gibt eine "gegenseitige Abhängigkeit von menschlicher Person und menschlicher Gemeinschaft."(GS 25)
Im System Krankenhaus müsste die befreiende Botschaft des Evangeliums für die Menschen konkrete Auswirkungen haben.
Die Patienten sind vor allem dann in der Lage, die für ihre Heilung in ihnen wohnenden Kräfte zu aktivieren und ihre Krankheit als Krise, die zu neuen Lebenschancen führen kann, wahrzunehmen, wenn sie Menschen im Krankenhaus erleben:
- die ihnen erklären, was mit ihnen medizinisch geschieht,
- die für ihre Fragen Zeit haben und zuhören,
- die ihre Würde und Individualität bewahren und respektieren,
- die auch in schwierigen Situationen bei ihnen bleiben,
- die ihnen die Hand halten und mit ihnen sprechen, auch wenn sie sich selbst nicht mehr verständlich machen können,
- die sie in ihrem Sterben begleiten,
- die mit ihnen beten und ihnen die Sakramente spenden, wenn sie es möchten,
- die mit ihnen der Frage nach dem (möglichen) Sinn ihres Leidens nachgehen können
- und die ihnen helfen, Subjekt ihres Lebens und Sterbens zu werden.
Um all dies, wenigstens ansatzhaft, zu verwirklichen, müsste sich die jetzige Struktur des Krankenhauses so verändern,
- dass Pflegepersonal und Ärzteschaft mehr Zeit für Gespräche und Sterbebegleitung haben,
- dass Schwestern und Pfleger allgemein mehr Mitspracherechte bei der Therapie haben,
- dass die verschiedenen Therapeutinnen und Therapeuten besser zusammenarbeiten, um ein ganzheitlicheres Bild von der Patientin/vom Patienten zu erhalten,
- dass vor allem für die Assistenz- und Stationsärztinnen/ärzte die Arbeitszeit verbessert und verkürzt wird,
- dass die Seelsorgerinnen und Seelsorger in Zusammenarbeit mit allen im Krankenhaus Tätigen einfühlsam, kompetent und (zeit-)intensiv auf die Patientinnen und Patienten zugehen und sie begleiten,
- dass es Räume gibt, in denen Sterbende und ihre Angehörigen einander nahe sein können
- und dass die Verknüpfung von Körper, Geist und Gesellschaft immer mehr die medizinische Diskussion prägt.
Im Sinne einer Vorreiterrolle müsste die Kirche da, wo sie Trägerin von Krankenhäusern ist, die oben skizzierten Veränderungen in die Tat umsetzen, um damit positive Veränderungen bei anderen Krankenhausträgern anzustoßen.
Da die Verhältnisse im Krankenhaus nur einen Spiegel der Gesellschaft insgesamt darstellen, müsste sich auch da einiges verändern:
- die Gesundheitsvorsorge müsste verstärkt und die Präventivmedizin intensiver betrieben werden,
- eine sozial gerechtere und ökologisch verantwortlichere Gesellschaft würde viele Krankheiten überhaupt nicht erst produzieren,
- die alltägliche Verdrängung von Krankheit, Leid und Sterben müsste aufgehoben werden, damit die Frage nach dem (möglichen) Sinn der Krankheit oder des Leides nicht auch noch im Krankenhaus zur Seite geschoben wird,
- viel mehr Menschen könnten mit einem veränderten Lebensstil viel zur Überwindung ihrer Krankheiten selbst beitragen, wenn sie erkannt haben, dass in unserer konsumorientierten Gesellschaft die starke Versuchung zu Grunde gelegt ist, vor eigenen Problemen und wichtigen Lebensfragen in einen übersteigerten Konsum zu flüchten - mit allen negativen Folgen, wie z.B. Alkohol-, Nikotin-, Medikamenten- und Drogenabhängigkeit.
Wo immer Menschen sich ändern oder Strukturen geändert werden, um den oben genannten Zielen ein Stück näher zu kommen, geschieht eine evangelisatorische Pastoral, wird der mitgehende Gott durch Menschen für Menschen erfahrbar, werden Menschen zum Subjekt ihres Lebens und ihres Glaubens.