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2.2 Aufgaben der Seelsorge für Kranke

Begegnung und Begleitung im Geiste Jesu

Seelsorge als Zuwendung zu den Kranken im Geiste des Evangeliums und als Begleitung in der „Wüste der Krankheit“ bedeutet das Aushalten der Dunkelheiten und der scheinbaren Abwesenheit Gottes, sie bedeutet aber auch die Zusage von Heil und Leben im Namen des „Gottes mit uns und für uns“.

Für den Kranken und Sterbenden wird der mitgehende, solidarische Gott, der sich uns in Jesus offenbart hat, erfahrbar im Wort und im Schweigen, im Aushalten und Mitgehen des Seelsorgers*, in der Erschließung des Wortes Gottes und in der Feier der Sakramente. Im Wort und im Sakrament schenkt Christus selbst Hoffnung und Trost, Stärkung und Heilung. Dabei erlebt der Seelsorger selbst nicht selten den abwesenden, fernen Gott. Auch im gemeinsamen Aushalten von Ohnmacht und Hilflosigkeit und in der Solidarität mit den Schwachen wird die Gegenwart Jesu erfahrbar.

Wie bei Jesus Verkündigung, Praxis und Person nicht voneinander getrennt werden können, so auch nicht beim Seelsorger: er kann durch das Zeugnis seines Lebens aus dem Glauben und durch seinen Dienst zum Zeichen der heilenden Nähe des mitgehenden Gottes werden. Dabei darf er darauf vertrauen: Gott ist bereits im Leben des Kranken helfend und heilend wirksam. Deshalb besteht die Aufgabe des Seelsorgers darin, Menschen in schwerer Krankheit und beim Sterben zu begleiten, sie auf das Wirken Gottes in ihrem Leben aufmerksam zu machen, ihnen Heil und Leben aus der Kraft des Glaubens zuzusagen und im Auftrag Jesu und der Kirche zu vermitteln. Seelsorger helfen so, diese Krisensituation des Lebens zu bewältigen, zu verarbeiten und zu bestehen. Dabei müssen sie sich differenziert auf die religiöse Situation des Kranken einstellen.

Mit dieser helfend-heilenden Solidarität mit den Kranken und Leidenden bemühen sich die Seelsorger um eine Spiritualität der Wertschätzung jedes Menschen im Geiste Jesu.

* Wenn im folgenden Text von „Seelsorgern“, „Ärzten“, „Krankenpflegern“, „Mitarbeitern“ usw. gesprochen wird, sind immer Frauen und Männer in ihren unterschiedlichen Berufen und Aufgaben gemeint. Auch die Verwendung des Begriffs „Patient“ usw. gilt für Frauen und Männer. Zudem kann, wenn von „Seelsorger“ gesprochen wird, dies ein Priester sein, ein Diakon oder Männer und Frauen, die je nach ihrer Beauftragung und Berufung in der Seelsorge im Krankenhaus arbeiten.

Seelsorge im Gespräch

Diese Grundhaltung wird im seelsorglichen Gespräch erfahrbar. Die patientenzentrierte Seelsorge geht davon aus, daß Menschen – aus der Kraft des Heiligen Geistes – ihren Lebens- und Glaubensweg finden können. Ziel solcher Seelsorge ist, daß der Mensch durch die Erfahrung dieser gott-menschlichen Zuwendung Sinn auch in Krankheit, Leid und Sterben finden kann, daß er im Glauben bereit wird zur Nachfolge Jesu, der durch Leiden und Kreuz in die Herrlichkeit Gottes gelangt ist. Die seelsorgliche Begleitung möchte dem Kranken helfen, seinen Weg zu überdenken und seine schwierigen Lebens- und Krankheitserfahrungen menschlich und geistlich zu bewältigen.

Diese offene, nicht vereinnahmende Seelsorge verlangt eine hohe Kompetenz in bezug auf Gesprächsführung, Ermöglichen von Begegnungen und Gestalten von Beziehungen zu anderen Menschen. Die Fähigkeit, aufmerksam zuhören zu können, ist für die Seelsorge an Kranken unerläßlich. Sie ist die Voraussetzung, damit sich gegenseitiges Verstehen und Beziehungen entwickeln können; sie ermöglicht „Seelsorge als Begegnung und Begleitung“, damit der Kranke daran glauben kann, daß er im Lichte Gottes steht. Die eigentliche Wirksamkeit solcher Seelsorge kommt dabei aus geistlichen Grundhaltungen, so sehr die Kompetenz in pastoralpsychologischer Gesprächsführung unverzichtbar ist. Das seelsorgliche Gespräch ist eng verbunden mit gewissermaßen alltäglichen Begegnungen und Gesprächen beim Krankenbesuch, über das Befinden, die Angehörigen, bestimmte Sorgen und Probleme usw.

Um dem biblisch-theologischen Ansatz einer „Theologie des Weges, der Begegnung und Begleitung“ (vgl. z.B. Ex 33,12-17; Buch Tobit; Joh 1 4 , 4 ff; Lk 24,13-35) gerecht zu werden, kann das methodische Konzept der klientenzentrierten Gesprächspsychotherapie eine wichtige Hilfe sein, unbeschadet notwendiger Ergänzungen und Differenzierungen.

Der Erwerb und die Entwicklung dieser Grundlagen ist für die Seelsorger eine bleibende persönliche Aufgabe. Auch der Fortbildung und Supervision kommt eine große Bedeutung zu. Dabei können Seelsorger selbst „Seelsorge am Seelsorger“ erfahren.

Glaubwürdige Verkündigung

Die seelsorgliche Begegnung und Begleitung im Geist des mitgehenden Gottes und in der Haltung der Zuwendung Jesu zu den Kranken ist für diese bereits eine heilbringende Botschaft, noch bevor ausdrückliche Inhalte der Verkündigung zur Sprache kommen. Alle Verkündigung bedarf der vorausgehenden und anhaltenden Zuwendung zum Menschen, der einfühlenden und sorgenden Begegnung und Begleitung, welche die Botschaft des Evangeliums anschaulich und erfahrbar machen.

Die Verkündigung des Wortes Gottes bei Kranken und Sterbenden kann für den Seelsorger schließlich nicht eine bloße Belehrung über den christlichen Glauben sein. Glaubwürdig, überzeugend und hilfreich wird sie nur, wenn spürbar wird, daß sie auch den Glauben und das Leben des Seelsorgers prägt. Ähnliches gilt für die Feier der Sakramente: sie verlangen nach der helfend-annehmenden Beziehung, die ihrerseits bereits Frucht des Geistes Gottes ist.

Bedeutsam ist das persönliche und gemeinsame Gebet mit den Kranken und für sie. Es macht deutlich, daß wir unser ganzes Leben in Gottes Händen glauben. Seelsorger bringen mit den Kranken ihre Anliegen vor Gott, die Bitte um Hilfe für sich oder nahestehende Menschen, um Heilung, um Geduld, Tröstung, um einen guten Tod.