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Problemfelder der Institution Krankenhaus und des modernen Medizinbegriffs

Das Krankenhaus bildet einen Spiegel der jeweiligen Gesellschaft, es stellt die Gesellschaft im Kleinen dar. Gesamtgesellschaftliche Prozesse dominieren deshalb in ihm: naturwissenschaftliches Denken, betriebswirtschaftliche Effizienz, Individualisierung und Auflösung der "klassischen" Milieus.
Wie in allen Großorganisationen werden auch im Krankenhaus viele Entscheidungen am "grünen Tisch" getroffen, d.h. häufig ohne Mitwirkung der Betroffenen.

Es gibt eine Zweiklassen-Medizin, weil sich Privatpatientinnen und -patienten eine aufwändigere und bessere Behandlung leisten können und weil mit ihnen mehr Geld verdient werden kann.
In Universitätskliniken besteht die Versuchung, Patientinnen und Patienten als unwissende Forschungsobjekte zu missbrauchen.

Weiterhin ist eine Zunahme schwerer Krankheitsbilder zu beobachten: AIDS, Sucht, Krebs.
Gesamtgesellschaftlich bedingt werden immer mehr ältere Menschen ins Krankenhaus aufgenommen (bzw. abgeschoben) mit allen damit verbundenen Problemen.

Das moderne westliche Verständnis von Medizin zeigt sich in seiner ganzen Zwiespältigkeit. Einerseits eine wachsende Perfektionierung: großartige Heilungserfolge, neue Medikamente, neue Operationstechniken, immer bessere Geräte zur Diagnostik, eine vielfältige Forschungstätigkeit. Andererseits ist damit eine materialistische Sicht vom Menschen verbunden, der ein Geist-Körper-Dualismus zu Grunde liegt. Der physische Reduktionismus, der davon ausgeht, dass Krankheit auf gestörte körperliche Funktionen reduziert werden kann, und die Doktrin der spezifischen Ätiologie, d.h. der Glaube daran, dass jede Krankheit einzeln betrachtet werden muss und dass sie auf je spezifischen, potenziell identifizierbaren Ursachen beruht, sind dafür verantwortlich, dass der kranke Mensch als Maschine gesehen wird, deren defekte Teile reparaturbedürftig sind.

Daraus folgen sowohl eine menschenunwürdige Sprache ("der Blinddarm auf Zimmer 12") als auch eine Fülle von ethischen Problemen (Euthanasiedebatte, Sterbeproblematik, Genmanipulation, Organverpflanzungen usw.). Die Diskussion um ein ganzheitliches Menschenbild in der Medizin, in dem Geist, Körper und Gesellschaft stärker aufeinander bezogen sind, wirkt sich im Klinikalltag noch kaum aus.