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Der von Gott berufene Mensch (Vaticanum II)

Im Mittelpunkt des Konzils stand die Sorge um den "ganzen" Menschen - sowohl innerhalb als auch außerhalb der Kirche. Der Ansatzpunkt der theologischen Fragestellung ist die Wahrheit vom Menschen. Das Ergebnis dieser Fragestellung ist die Entscheidung der Konzilsväter, die Berufung des Menschen in Christus durch Gott als zentrale Lehre des Konzils hervorzuheben. Diese Lehre ist „ein Prinzip der Selbstfindung des Menschen, ein Prinzip seiner Existenz" (Klinger 1984).

Das ist auch der Grund, warum der Glaube der Christinnen und Christen die Achtung der Würde des Menschen beinhaltet. Niemand kann den Glauben an Gott und Christus verkünden, wenn er den Menschen verachtet. Tut er dies, verrät er die Aussagen des Konzils.
Ein Schlüsseltext dazu ist in GS 3 zu finden.

Er lautet:
"Gewiss ist die Menschheit in unseren Tagen voller Bewunderung für die eigenen Erfindungen und die eigene Macht; trotzdem wird sie oft ängstlich bedrückt durch die Fragen nach der heutigen Entwicklung der Welt, nach Stellung und Aufgabe des Menschen im Universum, nach dem Sinn seines individuellen und kollektiven Schaffens, schließlich nach dem letzten Ziel der Dinge und Menschen.
Als Zeuge und Künder des Glaubens des gesamten in Christus geeinten Volkes Gottes kann daher das Konzil dessen Verbundenheit, Achtung und Liebe gegenüber der ganzen Menschheitsfamilie, der dies ja selbst eingefügt ist, nicht beredter bekunden als dadurch, dass es mit ihr in einen Dialog eintritt über diese verschiedenen Probleme; dass es das Licht des Evangeliums bringt und dass es dem Menschengeschlecht jene Heilskräfte bietet, die die Kirche selbst, vom Heiligen Geist geleitet, von ihrem Gründer empfängt. Es geht um die Rettung der menschlichen Person, es geht um den rechten Aufbau der menschlichen Gesellschaft.
Der Mensch also, der eine und ganze Mensch mit Leib und Seele, Herz und Gewissen, Vernunft und Willen steht im Mittelpunkt unserer Ausführungen. Die Heilige Synode bekennt darum die hohe Berufung des Menschen, sie erklärt, dass etwas wie ein göttlicher Same in ihm eingesenkt ist, und bietet der Menschheit die aufrichtige Mitarbeit der Kirche an zur Errichtung jener geschwisterlichen Gemeinschaft aller, die dieser Berufung entspricht."(GS 3)

"Christus wurde vom Vater gesandt", "den Armen die frohe Botschaft zu bringen, zu heilen, die bedrückten Herzens sind"(Lk 4,18),"zu suchen und zu retten, was verloren war"(Lk 19,10). "In ähnlicher Weise umgibt die Kirche alle mit ihrer Liebe, die von menschlicher Schwachheit angefochten sind, ja in den Armen und Leidenden erkennt sie das Bild dessen, der sie gegründet hat und selbst ein Armer und Leidender war. Sie müht sich, deren Not zu erleichtern, und sucht Christus in ihnen zu dienen."(LG 8)
Gerade in der Begegnung mit Kranken und Leidenden erreicht die Kirche ihre eigene Identität: Jesus Christus, den vollkommenen Menschen, der gelitten hat, und seine befreiende Botschaft vom Reich Gottes.

Denn jeder Mensch, vor allem der kranke Mensch ist ein möglicher Ort der Anwesenheit Gottes und umgekehrt inkarniert sich Gott in Jesus Christus als befreiende Größe eines jeden Menschen.

Der oberste Maßstab, mit Problemen der menschlichen Person umzugehen, ist demnach immer:

  • die Achtung der Person: "alle müssen ihren Nächsten...als ein "anderes Ich" ansehen."(GS 27)
  • die Achtung und Liebe gegenüber dem Gegner: man unterscheide immer "zwischen dem Irrtum, der immer zu verwerfen ist, und dem Irrenden, der seine Würde als Person stets behält."(GS 28)
  • "die wesentliche Gleichheit aller Menschen und die soziale Gerechtigkeit"(GS 29)

Ausdrücklich zu betonen ist, dass es eine "gegenseitige Abhängigkeit von menschlicher Person und menschlicher Gemeinschaft"(GS 25) gibt und dass das Konzils "den Gemeinschaftscharakter der menschlichen Berufung im Ratschluss Gottes"(GS 24) herausstellt.